Als Eltern würden wir unsere Kleinen oft am liebsten in Watte packen, damit ihnen draußen in der Welt nichts passiert. Wir möchten ihnen alles ersparen: Angst, Trauer, Ärger und Wut. Aber so sehr wir es uns auch wünschen und es versuchen, wir können unsere Kinder nicht vor allen unangenehmen Erfahrungen abschirmen.
Jedoch können wir ihnen Stärke vermitteln und den Glauben an ihre eigene Kraft wecken. Besonders sind es Ängste, die Kindern oft zu schaffen machen, und wir als Eltern wünschen uns dann nichts sehnlicher als Mut für unsere Kleinen.
Mut wird oft als Abwesenheit von Angst definiert. Jedoch brauchen wir keinen Mut, wenn wir keine Angst haben. Daher bedeutet Mut viel mehr, dass man etwas trotz Angst tut, die Angst also überwindet. Eine wichtige Fähigkeit, um den Stürmen des Lebens zu trotzen, doch wie können wir sie unseren Kindern aufbauen und gezielt fördern?
Die meisten von uns kennen das Vorlesen als Mittel zur Förderung von kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen; es ist ein seit langem viel zitiertes Thema bei Pädagogen und Eltern. Vorlesen eignet sich ganz besonders für das Alter von 3 bis 6 Jahren, jedoch lieben es viele Kinder auch noch Jahre nachher oder auch schon lange vorher.
Doch wie kann man das Vorlesen gezielt anwenden, um Kindern Mut zu machen?

Lege erst mal das Fundament: Habe MUT zum Vorlesen!

Vielleicht denkst du, dass du als Vorleser nicht geeignet bist und fürchtest dich sogar davor. Was, wenn es deinem Kind nicht gefällt? Doch keine Angst! Dein Kind wird es lieben und schätzen, dass du ihm Zeit mit einer Geschichte schenkst.
Damit du dich sicherer fühlst, befasse dich vor dem Vorlesen mit dem Buch und seinem Inhalt. Probiere eine Textpassage aus, lies sie dir selbst laut vor.
Vielleicht möchtest du deinem kleinen Schatz auch sagen, dass du immer gedacht hast, du könntest nicht so gut lesen, aber heute würdest du es einfach mal ausprobieren. Damit vermittelst du deinem Kind, dass du deine Angst und Zweifel überwunden hast und lebst ihm so einen wichtigen Mut-Schritt vor.
Lasse dich einfach überraschen von diesem besonderen Erlebnis des Vorlesens!
Also, volle Kraft voraus mit Mut!

1) Mut durch Liebe

Wenn wir unseren Kindern vorlesen, möchten wir ihnen in erster Linie eine Freude bereiten, tun dabei aber viel mehr. Kinder lieben Geschichten, und wenn sie von Mama oder Papa vorgelesen werden, sind sie nochmal um vieles toller. Das Vorlesen signalisiert dem Kind, dass ihm jetzt die ganze Aufmerksamkeit gewidmet wird, dass Mama/Papa sich Zeit nehmen und ihm einen besonderen Moment schenken. Allein diese Tatsache vermittelt Kindern Sicherheit, denn das Vorlesen ist für unsere Kleinen die Botschaft „Ich hab‘ dich lieb!“ Und Liebe stärkt und gibt Sicherheit, macht uns widerstandsfähiger und somit auch mutiger. Du kreierst durch den Akt des Vorlesens einen unsichtbaren Raum für dich und dein Kind, in dem eure Verbindung gestärkt wird.
Mache Mut mit diesem verbindenden Erlebnis!

2) Mut durch das Ritual des Vorlesens

Du kannst die Wirkung des Vorlesens um einiges erhöhen, wenn du das Vorlesen zum Ritual machst. Kreiere eine Wohlfühloase, in der sich dein Kind geborgen fühlt.
So geben Rituale Kindern Vertrauen und Struktur, also genau das, was ängstlichen Kindern oft fehlt. Gekoppelt mit einer angenehmen, entspannten Atmosphäre, wird die Vorlesezeit zu einem besonderen Ereignis, bei dem sich das Kind in eine positive Welt zurückziehen und seine Ängste loslassen kann. Vertraute Abläufe vermitteln Sicherheit und Gemeinsamkeit und sprechen gleichzeitig das Unterbewusstsein ganz stark an, wodurch das Kind offen für die in den Geschichten vermittelten Botschaften ist.
Das Ritual des Vorlesens an sich entwickelt sich zum Anker, der unseren Kleinen Halt gibt und dadurch Ängste auflöst.
Mache Mut mit Vorlese-Ritualen!

3) Mut durch Mutmach-Geschichten

Gezielte Lektüre zählt natürlich zu den geeignetsten Mitteln, um in unseren Kleinen das Gefühl von Mut zu aktivieren. Dabei kannst du zwischen Klassikern und aktuellen Mutmach-Geschichten wählen. Einige Kinderbuch-Autoren gehen in ihren Büchern gezielt auf das Thema Mut ein. In den Geschichten überwinden Mädchen, Jungen, Tiere oder Fantasiewesen ihre Ängste und schaffen es, Herausforderungen zu bewältigen. Es müssen nicht gigantische Abenteuer sein, die die Protagonisten erleben, auch bestandene Herausforderungen des Alltags zählen als Erfolg. Jeder Schritt zu mehr Selbstvertrauen und Mut ist wertvoll und kann Kindern aufzeigen, dass es möglich ist, aus Ängsten herauszutreten und Neues zu wagen.
Auch in Märchen findet sich das Thema Mut wieder, so z.B. in „Das tapfere Schneiderlein“ und „Die Bremer Stadtmusikanten“.
Durch den positiven Ausgang der Mutmach-Geschichten wird den Kindern aufgezeigt, dass es Wege gibt, Probleme zu lösen, die anfangs übermächtig erscheinen.
Prinzipiell sind alle Geschichten, die einen stärkenden Charakter haben, dazu geeignet, Mut zu vermitteln. Vertraue beim Auswählen deiner Mutmach-Geschichten deinem Bauchgefühl, schließlich kennst du dein Kind am besten und weißt, was es ansprechend findet.
Mache Mut mit Mutmach-Geschichten!

Unser Buch: Positive Mutmachgeschichten für den Schulstart in die 1. Klasse

4) Mut durch Nachahmen und Vorbilder

Da Kinder in erster Linie über Nachahmung und Vorbilder lernen, sind Geschichten ein hervorragendes Mittel, um neue Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Werte und Fähigkeiten wie Mut zu vermitteln.
Kinder identifizieren sich gerne mit den Hauptfiguren von Geschichten, besonders dann, wenn sie gleiche oder ähnliche Wesenszüge wie sie selbst haben. So können Figuren zu Vorbildern werden und zum Nachahmen anregen.
Hervorragend eignet sich das Rollenspiel für das Nachahmen von Handlungen und Verhaltensweisen. Rollenspiele haben für Kinder eine elementare Bedeutung in ihrer Entwicklung. Die meisten Kinder beginnen damit im Alter von 3-4 Jahren.
Du kannst das Rollenspiel bewusst nach dem Vorlesen einsetzen und Verhaltensweisen der Buchfiguren mit deinem Kind nachspielen. Schlüpfe in die Rolle der Helfer-Figur (die Figur, die Inputs und Tipps gibt) und lass dein Kind die Rolle der Hauptfigur übernehmen. Vielleicht möchte dein Kind auch die Rollen wechseln und selbst als starke, beratende Gestalt auftreten. Beides ist wunderbar, denn es geht um die stärkenden Gefühle, die dabei geweckt und nachempfunden werden und sich schließlich in der Gefühlswelt deines Kindes verankern.
Mache Mut als Vorbild und rege zum Nachahmen an!

5) Mut durch Fantasiereisen

Um in die Tiefen der kindlichen Gefühlswelt einzutauchen, sind Fantasiereisen ein magischer Schlüssel. Sie entführen Kinder in eine andere Welt und regen sie an, neue innere Vorstellungen zu entwickeln. So können Verhaltensmuster aufgelöst und neue übernommen werden.
Unsere Kleinen lieben Fantasiereisen, da sie ihnen gleichzeitig Entspannung und Abenteuer bieten. Im entspannten Zustand können die vorgelesen Worte tief in das Unterbewusstsein sinken und sich dort verankern.

Auch zum Thema Mut gibt es spezielle Fantasiereisen. Beim Vorlesen ist es wichtig, immer wieder auf Pausen zu achten, in denen dein Kind sich entsprechende Bilder vorstellen und erwünschte Gefühle spüren kann.
Mache Mut mit Reisen ins Unterbewusstsein!

6) Mut durch das Aussprechen von Gefühlen

Vorlese-Geschichten sind für Kinder oft ein Impuls, über ihre eigenen Gefühle zu sprechen, so wie es die Protagonisten*innen in den Geschichten tun. In unseren Kleinen tauchen immer wieder mal Ängste auf, da sie Teil des Entwicklungsprozesses sind. Wichtig ist es, dass sie erfahren, dass man diese überwinden kann. Je öfter das geschieht, desto mehr intensiviert sich diese Erfahrung und dein Kind wird damit mutiger.
Das Verbalisieren von Gefühlen schafft Vertrauen und erleichtert das Loslassen.
Mache Mut mit Worten!

7) Mut durch Wiederholung

Die Wirkung des Vorlesens beschränkt sich nicht nur auf den Moment, in dem es geschieht. Es ist ein Prozess, der in Kindern nachwirkt und sie zum Nachdenken anregt. Erhalte die Geschichten am Leben und baue die Mut-Botschaften aus den Geschichten in den Alltag ein. Dabei kannst du deinem Kind Fragen zur Handlung oder den Figuren stellen. Oder gib Impulse wie: Erinnerst du dich noch, was Figur X getan hat? Was glaubst du, würde er jetzt tun? Oft sind es die Kinder, die von sich aus die gehörten Geschichten ansprechen und/oder immer wieder hören wollen.
Mache Mut mit Dran-Bleiben!

Noch ein paar Tipps zum Vorlesen!

  • Nimm dir Zeit! Klinke dich vollständig aus dem Alltag aus.
  • Lies nicht zu schnell!
  • Verändere deine Stimme! Passe sie den Buchfiguren an.
  • Interagiere mit deinem Kind! Lass es Vermutungen anstellen, wie sich die Geschichte weiter entwickeln könnte. Frage es: Was würdest du tun? Was würdest du der Hauptfigur raten?